Machtdynamiken mitdenken
Disclaimer: hier kommt viel Theorie - weil meine zeitlichen Ressourcen nicht für Beispiele reichen. In Sitzungen und Bildungsveranstaltungen (demnächst auch in Blogs) gebe ich Beispiele und erkläre an Alltagssituationen was das bedeutet.
Mein Ansatz ist macht- und diskriminierungskritisch und insbesondere Adultismus berücksichtigend.
Macht- und diskriminierungskritisch bedeutet: wir gehen davon aus, dass Machtungleichheiten und Diskriminierungsdynamiken sich auf Interaktionen zwischen Menschen, auf persönliche Erfahrungen, Möglichkeiten und Schwierigkeiten auswirken, und dass solche Machtungleichheiten und Diskriminierungsdynamiken oft nicht bemerkt werden und nicht unbedingt intentional ablaufen. Wir denken das mit und erinnern uns dabei daran, dass wir einen Teil solcher Auswirkungen vermutlich erstmal nicht mitbekommen.
In Bezug auf junge neurodivergente Menschen bedeutet dass: wir berücksichtigen, dass ihre Erfahrungen, Erlebnisse, Interaktionen, Möglichkeiten und Schwierigkeiten von Erfahrungen durch ein Zusammenspiel von Adultismus und anderen Machtdynamiken (wie Neuronormativität/ Ableismus, oft auch Rassismus, Gender-basierte Diskriminierung, etc.) geprägt sind, dass wir selbst solche Dynamiken aufrecht erhalten, aber oft nicht (ausreichend) erkennen - vor allem, wenn wir noch nicht viel Übung in solcher Reflektion haben.
Es ist mir ein Anliegen aufzuzeigen, dass Verständnis und Berücksichtigung solcher Einflüsse andere Schlussfolgerungen erlauben und mehr Möglichkeiten schaffen.
Adultismus wirkt sich auf verschiedene Weisen auf junge Menschen, auf Dynamiken und Interaktionen mit Ihnen, auf ihre Möglichkeiten und wie ihre Reaktionen, Impulse, Interessen und Entwicklung von ihrem Umfeld wahrgenommen werden aus. Ohne fundierte Berücksichtigung von Adultismus bleiben Verständnismöglichkeiten des erwachsenen Umfelds eingeschränkt.
Ich sehe eine fundiert Neurodivergenz-bestätigende, diskriminierungskritische, Trauma-informierte Herangehensweise, die Adultismus reflektiert, als Voraussetzung für die respektvolle Unterstützung junger neurodivergenter Menschen, in der Raum für empowerten und selbstbestimmten Kompetenzerwerb, Begeisterung, Bindung, Sicherheit und nachhaltige Teilhabe mit positivem Wohlbefinden ist.
Über junge neurodivergente Menschen reden
Ein Resultat von Adultismus ist, dass in Gesprächen und Forschung über Neurodivergenz vor allem Perspektiven von nicht-neurodivergenten Eltern junger Menschen zentriert wurden und werden.
Gerade ohne Neurodivergenz-bestätigende Unterstützung sind diese häufig sehr überlastet und ausgebrannt und Narrationen zentrieren ihr Erleben, ihre Belastung, ihre Gedanken. Dabei wird ihre Dynamik oft im Sinne von "Opfer erbringen" und Wohltäter*innenschaft und ihre neurodivergenten Kinder als Belastung beschrieben.
Gerade die Kombination von Adultismus und Neuronormativität - und die Tatsache, dass fehlende, respektvolle, kompetente Neurodivergenz-bestätigende Unterstützung zu tatsächlichen Überlastungen im Care-arbeitenden Umfeld führt - führt auch dazu, dass in persönlichen Momenten der jungen Menschen wenig(er) Rücksicht auf Privatsphäre, Consent und Würde der jungen Menschen genommen wird.
Die (heterogene) Neurodivergenz-Bewegung bricht diese Dynamiken aus wichtigem Grund auf und zentriert neurodivergente Personen als aktive, vollständige Personen.
Meine Arbeit findet primär mit dem Umfeld junger neurodivergenter Personen statt und beinhaltet auch ein "Sprechen über" sie, aus Gründen, die im Neurodiversitätsparadigma verortet sind:
Gerade bei jungen neurodivergenten Personen ist das Umfeld für Barrieren verantwortlich und je mehr Neurodivergenz-informierte Kompetenzen und Gestaltungsmöglichkeiten das Umfeld hat, desto bessere Möglichkeiten und bessere Abläufe ergeben sich für den jungen Menschen. "Autism+Environment=Outcome(s)" ist nicht nur zentrale Grundlage für autistische Neurodivergenz, sondern gilt auch für AD(H)S/Aufmerksamkeitsdifferenzen und PDA.
Zusätzlich erleben junge neurodivergente Menschen häufig aus verschiedenen Gründen Barrieren in direkten Interaktionen mit Fachpersonen und aus anderen Gründen auch in Peer-Support Angeboten. Aus diesen Gründen laufen viele ND-bestätigende Angebote anders (in Anwesenheit der Bezugspersonen, ohne direkte Kommunikation, etc.) ab.
Eine Menge Transformation ist möglich ohne direkte - inhaltlich direkt relevant erscheinende- Kommunikation oder Übungen mit jungen Menschen. Das bedarf allerdings Adultismus- und Neurodivergenz-berücksichtigende Sensibilität. Wie wir über unsere jungen Menschen sprechen, ist wichtig.
Es ist mir daher ein großes Anliegen, Wege zu etablieren, in denen wir diskriminierungskritisch in einen Austausch kommen können, in denen gängige Narrationen hinterfragt werden, die Selbstverständlichkeit, mit der über junge neurodivergente Menschen oft gesprochen wird, zumindest hinterfragt wird, Privatsphäre mitgedacht wird und Umdenken auch in Bezug auf Beschreibungen und Zuschreibungen stattfindet.
Auf dieser Basis ist es mir wichtig, auf für das Umfeld tatsächlichen Support und Möglichkeiten der Vernetzung und Unterstützung anzubieten.
Zusammenspiel von Adultismus und Neuronormativität
Adultistische und neuronormative Narrationen über junge Menschen führen zu stereotypen Kindheitsvorstellungen, in die viele junge (neurodivergente) Menschen und ihre Familien nicht reinpassen. Sie führen zu unpassenden Erwartungen, Modellen und Alltagsgestaltung, zu Vorurteilen und Fehlannahmen, zu Wissenslücken und einem Mangel an passenden Kompetenzen im Umfeld. Zu einem Set-up-for-Failure für junge Menschen und ihre Familien.
Adultismus wirkt sich auf verschiedene Weisen auf junge Menschen, auf Dynamiken und Interaktionen mit Ihnen, auf ihre Möglichkeiten und wie ihre Reaktionen, Impulse, Interessen und Entwicklung von ihrem Umfeld wahrgenommen werden aus. Ohne fundierte Berücksichtigung von Adultismus bleiben Verständnismöglichkeiten des erwachsenen Umfelds eingeschränkt.
Ich halte eine fundiert Neurodivergenz-bestätigende, diskriminierungskritische, Trauma-informierte Herangehensweise, die Adultismus reflektiert, als Voraussetzung für die respektvolle Unterstützung junger neurodivergenter Menschen, in der Raum für empowerten und selbstbestimmten Kompetenz-erwerb, Begeisterung, Bindung, Sicherheit und nachhaltige Teilhabe mit positivem Wohlbefinden ist.