Ansatz

Neurodivergenz-bestätigende, diskriminierungskritische und trauma-informierte Unterstützung für junge neurodivergente Menschen

Abgrenzung von Peer-Support, Neurodivergenzcoaching und Beratung zu herkömmlicher Autismustherapie

Für autistische junge Menschen in Deutschland ist das Feld der multimodialen Autismustherapie vorgesehen, und auch wenn es durch Auswirkungen der Neurodiversitätsbewegung zunehmend größere Unterschiede in Zielsetzung und Praxis gibt, geht diese in der Regel noch von schwerwiegenden kognitiven Defiziten aus. Diese sollen durch möglichst frühzeitige (oft wird von „rechtzeitiger“ Intervention als Voraussetzung von Erfolg gesprochen), konditionierende und behavioristische Intervention als notwendig identifizierte Veränderungen bei jungen Menschen bewirken, so dass Defizite durch möglichst normatives Verhalten kompensiert werden sollen.

Auch wenn die Wichtigkeit von Psychoedukation, Aufklärung und Anleitung des Umfelds zunehmend erkannt wird, liegt der Fokus solcher Autismustherapie entsprechend auf multimodaler, schwerpunktmäßig häufig (operant) konditionierender und verhaltenstherapeutischer Arbeit, die entsprechend in Präsenz stattfindet und einen Fokus u.a. auf Vermittlung von neuronormativen sozialen Interaktions-, Spiel-, Kommunikation-, und Lerndynamiken, Visualisierung von Regeln und Übergängen, Training von erwünschten Abläufen, Aufzeigen von vermeintlich nicht erfassten Zusammenhängen und Gefühlszuständen etc. legt.

Andere Zielsetzung und Vorgehen

Das Neurodiversitätsparadigma basiert – zusammen mit anderen Ansätzen, die von diesem beeinflusst sind - auf anderen, aktuelleren Grundlagen. Es identifiziert andere – darunter objektiv messbare - Ursachen für Schwierigkeiten, Behinderung und Verhalten und bietet andere Modelle, Strategien und Lösungsansätze einschließlich für Diagnostik, Fachtherapie und Schule.

Neurodivergenz-bestätigende Unterstützungsarbeit legt einen Schwerpunkt auf Peer-Angebote, Bildungsarbeit und Kompetenzbildung im Umfeld, und auf empowernde Aspekte von Peer-Support. „Autism+Environment=Outcome(s)“ gilt auch für (junge) Menschen mit AD(H)S/Aufmerksamkeitsdifferenzen und PDA-Profil.

Therapeutische Praktizierende in Fachrichtungen wie Psychotherapie, Ergotherapie und Sprach- und Sprechtherapie erkennen zunehmend ebenfalls Barrieren in direkten Interaktionen, Gesprächsinhalten und Übungen und arbeiten ebenfalls über das Umfeld, über indirekte Kommunikationswege oder priorisieren neurodivergente Interaktionen und Zusammensein mit anderer Zielsetzung.

Angebote und Ansatzmöglichkeiten des Neurodiversitätsmodells sind sehr vielfältig.

Meine Arbeit beinhaltet folgende Strategien und Möglichkeiten

1) Advocacy, Bildungsarbeit und Fortbildungen
Was über Neurominderheiten angenommen wird, entscheidet, wie Personen aus der Neurominderheit unterstützt werden. Basierend auf aktuellen Erkenntnissen in Neurodivergenz-bestätigender Forschung, kollektiver Arbeit, Fachnetzwerken und eigenen fachpraktischen und persönlichen Erfahrungen biete ich daher in Bildungsangeboten, Fortbildungen und Fachberatung ein Reframing (welche Erkenntnisse gibt es inzwischen? Worauf basieren sie? Welche Annahmen wurden dekonstruiert? Was trifft stattdessen zu, worauf basieren diese Einordnungen und was bedeutet das), sowie Übersicht und Einblick in nachhaltige Theorien, Strategien und Modelle

2) Peer-Support

Für meine Arbeit mit und für jungen neurodivergente Menschen setze ich zwei Grundlagen des Neurodiversitätsparadigmas als Ausgangspunkt: 1) Junge neurodivergente Menschen erleben mehr und andere Barrieren als vom Umfeld erkannt wird und Barrieren wirken sich anders aus, als verstanden wird. 2) Ihre Erfahrungen, Reaktionen und Bedarfe werden vom Umfeld häufig (ganz) anders verstanden. Das Umfeld reagiert/begegnet Ihnen auf der Basis von solchen nicht-(ganz)-passendem Verständnis. Für junge neurodivergente Menschen wirken diese Dynamiken (Neuronormativität) durch eine Wechselwirkung von Adultismus besonders nachteilig.

Ich gehe daher primär validierend, Neurodivergenz- und Trauma-informiert und co-regulierend vor, biete verschiedene direkte und indirekte Kommunikationsformen an, priorisiere Transormation durch neurodivergente Interaktionsdynamiken, Beziehung über monotropische Interessen und Aufmerksamkeit.

3) Beratung und Lived Experience- Coaching (Umfeldarbeit/ND-bestätigende Praxis)

Studien bestätigen eine der wichtigsten Aussagen der Neurodiversitätsbewegung: Je mehr Neurodivergenz-informiert das Umfeld von autistischen jungen Menschen, PDAer*innen und jungen Menschen mit ADHS/Aufmerksamkeitsdifferenzen ist und handelt, desto mehr selbstbestimmte Teilhabe, positives psychisches Wohlbefinden und nachhaltige Strategien erleben die jungen Menschen und desto weniger Stress- und Traumareaktionen finden statt.

In Beratung, Coaching und Bildungsarbeit des Umfeldes ergänze ich Bildungsarbeit und Information durch Einblick und Kompetenzaufbau in Neurodivergenz-bestätigenden Praktiken, Modellen und Alltagslösungen.

Dabei berücksichte ich unter anderem senso-motorische Differenzen (und bisherige Reaktionen des Umfelds auf diese), mögliche Akkumulation, sensorische Schmerzen und sensorische Traumata, die Möglichkeit von unerkannten physischen Erkrankungen und Co-Occurencies, sowie andere Invalidierungserfahrungen.

4) Elemente aus ND-bestätigender Forschung und Fachpraxis für Fachberatung, Fortbildung und Umfeldarbeit

Ich interessiere mich sehr dafür, wie Erkenntnisse und Modelle aus Neurodivergenz-bestätigender Forschung und kollektiver Arbeit mit adultismus-kritischen Erkenntnissen kombiniert werden können und barrierearm,  trauma-informiert und  und sensomotorische und neurowissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigend in der Fachpraxis umgesetzt werden kann.

Diese Intersektion ist mir ein sehr wichtiges Anliegen, zu dem ich mich daher intensiv mit neurodivergenten (Fach)personen und Forschenden austausche.

Mich interessiert dabei besonders, wie aktuelle Erkenntnisse  - mit Blick auf adultistische Dynamiken, Performance-Anxiety, Anforderungsvermeidung und PDA -  auf die Umfeldarbeit übertragen können und Kompetenzen von Eltern und Bezguspersonen aufgebaut werden können, so dass sie dort sichere Möglichkeiten für selbstbestimmte und empowerte Entwicklung von (sensorischen, neuromotorische, kognitive und soziale Kompetenzen) schaffen.