Verabredungen und Absagen – neuronormative Zeitplanung und ihre Folgen

Für viele funktioniert neuronormatives Verabreden nicht gut, aber wir kennen selten Alternativen
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Neuronormatives Verabreden führt oft dazu, dass wir Termine nicht einhalten können oder ausbrennen - aber was sind die Alternativen?

Neurokin,

wenn ihr Termine oder Verabredungen ausmacht und Euch ein bestimmter Zeitpunkt vorgeschlagen wird, dürft Ihr nach einem für Euch passenden, anderen Zeitpunkt fragen. Auch wenn der weiter in der Zukunft liegt. Auch wenn der die Suche nach gemeinsamen Zeitfenstern erschwert.

Ihr dürft sagen: "ich bin an dem Tag/die Woche/den Monat voll, wann ginge es ab dem Zeitpunkt X das nächste Mal" - auch wenn Ihr keinen direkt konkurrierenden Termin zu dem vorgeschlagenen Zeitpunkt habt.

Ihr dürft sagen "ich kann nur vormittags vor/nachmittags ab x Uhr".

Bei privaten Verabredungen dürft Ihr sagen "ich möchte sehr gerne und freue mich drauf, aber brauche länger für eine realistische Zeitplanung. Lass uns jetzt einen Termin ab (Zeitpunkt in Zukunft) ausmachen".

Oder "Ich möchte sehr gerne und freue mich, meine Kapazitäten fluktuieren aber gerade stark und eine feste Verabredung ist unrealistisch. Ich könnte Dich immer wieder kontaktieren, wenn ich spontan Kapazitäten habe und wir schauen, ob da bei Dir zufällig auch mal was passt".

"Ich würde gerne mit Dir feiern, aber Parties sind für mich im Moment nicht gut möglich. Können wir auf X Art nachfeiern?".

Für einige ist das selbstverständlich. Für viele neurodivergente Menschen klappt eine Verabredung, die tatsächlich zu ihren Bedürfnissen passt, nicht gut.

Die Gründe dafür sind unterschiedlich.

Für einige sind es *Schwierigkeiten mit exekutiven Funktionen* (Organisieren von Plänen, Abläufen, Schritten). Für andere ist es eine Form von neurodivergenter Burnout oder chronische Erschöpfung/chronische Schmerzen: Wir sind daran gewöhnt, dass wir weniger schaffen, als wir möchten und irgendwie auch brauchen. Wir haben den Eindruck, dass wir alles absagen müssten, wenn wir realistisch planen wollten - und das fühlt sich nicht gut an. Daher planen wir einfach und hoffen auf einen guten Tag.

Für viele kommt *internalisierte Scham für abgesagte oder verpasste Termine in der Vergangenheit* dazu.

Einige haben "Zeit-Agnosie (eine abweichende Wahrnehmung von Zeit, wird ableistisch als "Zeit Blindheit" übersetzt) und generell Schwierigkeiten, ihre zeitliche Planung realistisch einzuschätzen (das ist gehört unter exekutive Funktionen).

Einige haben aus anderen Gründen Schwierigkeiten, mit der Verabredungen zu leben, auch wenn wir Lust auf sie haben.

Für viele ist der Moment der direkten Interaktion mehrfach überwältigend und einfach anstrengend. Vergangenheit, Präsenz und Zukunft kommen zusammen. Wir wollen, dass das Gegenüber irgendwie zufrieden ist, haben Schwierigkeiten unsere abweichenden Bedarfe in abweichenden, aber gut klingenden Sätzen zu ordnen. Wir erinnern uns an Interaktionen, in denen wir als schwierig wahrgenommen wurden. Wir haben Sorge, dass uns in Zukunft (erneut) weniger freundlich begegnet wird, wenn wir "zu kompliziert" rüber kommen.
Es soll einfach vorbei sein.

Vor allem haben wir den Eindruck, dass es keine Art der Verabredung oder Terminierung gibt, die für uns besser funktioniert, gerade wenn wir die Details unserer Neurodivergenzen nicht so ganz verstehen.

Es fehlt an Modellen für Verabredungen und Terminierungen, die zu uns passen. Also können wir sie nicht mitdenken.

Skripte können helfen. Und welche Skripte für wen genau passen, ist sehr unterschiedlich. Hier sind ein paar weitere Beispiele für Skripte, die nicht alle Bedarfe und Erlebnisse abdecken:

"Zeitliche Planung fällt mir schwer, ich möchte aber kommen. Lass uns einen Termin besprechen und gegebenenfalls melde ich mich nochmal, wenn ich später merke, dass der doch nicht gut passt."

"Restaurants und Cafés sind aufgrund von Hintergrundgeräuschen und Gerüchen sehr anstrengend für mich. Lass uns (zu normabweichendem Zeitpunkt) an Ort X treffen"