Fluoreszierende Körperfarbe und Schwarzlicht – sensomotorisches Spiel und sogenannte „pre-writing“ Skills

Rücken einer Hand mit fluroszierender Farbe. Eine gelbe Sonne auf dem Handrücken, eine Mondsichel und zwei Sterne auf dem Handgelenk. Im Hintergrund vereinzelt fluorszierende Farbflecken und Formen. Das Foto ist mit Schwarz-Licht aufgenommen, so dass die fluroszierenden Farben hervorstechen und der Rest diffus und dunkel ist.
Ideen für sensomotorische Aktivitäten, einschließlich für junge kreative Menschen, für die Papier-und-Stift aus Gründen nicht passt
Hier kommt ein langer Einschub: ich erkläre, dass der Erwerb von Handschrift-Kompetenz nicht forciert werden sollte, dass junge Menschen nicht zu Aktivitäten gedrängt werden sollten, dass wir aber Barrieren abbauen können.
Dann geht es zur eigentlichen Aktivität.

Einschub: Handschrift und "pre-writing-skills"

Handschrift hat einen merkwürdigen Stellenwert in einer zunehmend digitalisierten Welt.

Die Fähigkeit, mit Stiften zu schreiben, wird als Meilenstein gemessen. Für das Schreiben mit Stiften sind eine Reihe an Kompetenzen notwendig, einige davon haben nicht viel mit Handschrift zu tun.

Diese Kompetenzen werden im Englischen oft als "pre-writing Skills" bezeichnet.
Wenn Fachpersonen Handschrift forcieren, übersehen sie oft, welche anderen Kompetenzen (pre-writing-skills) eventuell noch nicht vorhanden sind; oder sie übersehen, dass für einige Neurominderheiten eine gleichmäßige feinmotorische Arbeit wie Handschrift auf Dauer schwerer ist (viele Personen mit "Aufmerksamkeitsdifferenzen" scheinen neuromuskuläre Schwierigkeiten beim längeren Schreiben mit Stift zu haben).
Oder sie übersehen andere senso-motorische Barrieren.
Unabhängig davon, ob und wann ein junger Mensch beginnt, mit Stift auf Papier zu schreiben, sind "pre-writing-skills" generell nützlich, auch für andere Sachen. Daher ist es ein bisschen merkwürdig, dass wir sie "pre-writing-skills" nennen. Andererseits hilft diese Bezeichnung eben, zu erklären, dass Schreibkompetenzen nicht beim Schreiben-Üben ansetzen.
Ich möchte die Erwartung hinterfragen, dass Handschrift ein unausweichlicher Entwicklungsschritt ist bzw. erst Recht, dass es ein bestimmtes Alter gibt, in dem alle jungen Menschen ein bestimmtes Maß Handschriftkompetenzen zeigen können sollten.
Der Fokus auf Handschrift bei jungen Menschen ist häufig gepaart mit gravierenden Wissens- und Bewusstseinslücken in Bezug auf verschiedene Barrieren und Neurodivergenzen.
Im Kontext von Schule wird Handschrift - und gleichmäßige Handschrift oder "Schönschrift" aktuell oft so eingeordnet, dass junge Menschen, die eben nicht so (schön) mit Stift auf Papier schreiben problematisiert werden, Druck erleben bzw. diskriminiert werden.

 

Hier braucht es ein Umdenken und mehr Informationen.

 

Bei dem Gedanken an "Schönschrift" kommen Erinnerungen an meine eigene Kindheit hoch, in der ich trotz aller Mühe die Botschaft erhalten habe, dass ich nicht "schön genug" schreibe. Das war damals schon stressig, wobei mein Eindruck ist, dass der heutige Druck auf junge Menschen deutlich stärker ist.

 

Heute schreibe ich selbst ürbrigens kaum mehr handschriftlich - und wenn doch - dann krakle ich selbstbewusst.

 

Junge Menschen, die Unterstützung für selbstbestimmte Bildung erhalten, lernen Schreiben zu sehr unterschiedlichen Zeitpunken, wenn ihre verschiedenen Kompetenzen (u.a. prewriting-skills) und ihre intrinsische Motivation zusammen kommt.

 

Ich möchte hiermit ausdrücken: ich halte es für sinnvoll, Barrieren auf in Bezug auf Handschrift abzubauen. Ich halte es für sinnvoll, vorhandene intrinsische Motivation zu unterstützen. Wenn junge Menschen scheinbar kein Interesse an Handschrift haben, liegt es manchmal auch an Barrieren, manchmal wären sie doch interessiert, konnten aber die für ihren Körper und ihr Nervensystem passenden Kompetenzen nicht ausbauen. Manchmal waren es nicht die passenden Materialien, manchmal nicht die passende Unterstützung.

 

Mir geht es also nicht darum, dass wir den möglichst frühen Erwerb von Handschrift-Kompetenzen fördern, sondern Barrieren auf dem Weg abbauen und tatsächlichen Spaß an Teil-Kompetenzen möglich machen.

 

Es ist mir ein großes Anliegen, nach Ursachen für vermeidendes Verhalten zu suchen und neugierig auf mögliche Barrieren zu bleiben.

Ohne eigene Erwartungen an Lernverhalten, mit Neugier, Flexibilität und Offenheit können wir Angebote für sensomotorisches Erleben machen und Ergebnis-offen und informiert Reaktionen beobachten.

Mit fluoroszierender Farbe und Schwarzlicht experimentieren

Eine Aktivität für Menschen, die an Farben, Formen, Malen interessiert sind und auch für die, die mit Stift-und-Papier weniger anfangen können.

Inhaltswarnung: diese Aktivität kann für lichtempfindliche Personen oder sensory-avoidant Personen unangenehm sein. Die Abwehrverhalten von jungen Menschen sagt viel über sensomotorische Bedarfe und Barrieren aus, es ist wichtig, dass wir sie respektieren, selbst wenn wir sie vielleicht (noch) nicht ganz verstehen.

Ihr braucht:
  • ein Set fluoreszierender Körperfarbe
  • Schwarzlicht
  • einen geegineten Raum
  • wer möchte zusätzlich: Kreidemarker
  • geeignetes Material zum Abwischen/Abwaschen
Ich habe folgendes benutzt:
  • eine Schwarzlicht-Leuchtbirne, die in die Fassung von einer tragbaren Lampe hier gepasst hat.
  • ein Set Körperfarbe mit flüssigen Farben in der Tube und Pinsel, mit dickeren Schinkfarben in kleinen Pötten und kleinen Schminkpinseln (mit kleinen Schwämmen an beiden Enden, wie für Lidschattenschminke) und mit kleinen, weichen Schminkstiften. Das Set hatte eine Menge Schablonen, die hier Freude gemacht haben.

In unserem Set war auch Glitter dabei -das wir einerseits toll finden und andererseits aus Umweltschutz-Gründen meiden. Das Glitter war mit Schwarzlicht nicht wirklich zu sehen und wäre daher nicht nötig gewesen.

Richtig spannend war, dass die gelb- und blau-töne unter Schwarzlicht sehr kräftig waren, aber bei Tageslicht kaum bis gar nicht zu sehen waren.

Einem jungen Menschen hat es Spaß gemacht, die Schablonen zu nutzen und mit den Stiften Formen nachzumalen. Wichtig ist, dass das die Idee des jungen Menschen war und die Idee nicht von anderen vorgegeben wurde. Derselbe junge Mensch hätte zu einem früheren Zeitpunkt eventuell gar kein Interesse an den Schablonen gehabt und gebenenfalls sehr viel mit den flüssigen Farben gematscht - sie eventuell sogar alle vermischt und auf Flächen verteilt.

Wenn wir solche Aktivitäten machen, ist es wichtig, dass wir selbst keinem bestimmten Resultat anhängen, junge Menschen (und uns selbst) nicht mit anderen jungen Menschen vergleichen.Das jeweilige Verhalten sagt nichts darüber aus, welche Kompetenzen ein junger Mensch in der Zukunft erwerben wird oder nicht erwerben wird. Das jeweilige Verhalten sagt eher viel darüber aus, wo die intrinsische Motivation liegt und wo aktuelle sensomotorische Bedarfe und gegebenenfalls auch Barrieren liegen.

Für die Begleitenden von anderen sensory-seekern (junge Menschen, die Material schnell im Raum verteilen): Falls Ihr die Aktivität ausprobieren solltet, überprüft vielleicht im Vorfeld, welches Set-Up für Euch so funktioniert, dass Ihr möglichst gar nicht intervenieren und umlenken müsst, selbst wenn es recht anders läuft.

Noch ein Hinweis: unser Set ließ sich schwer abwaschen - wir haben das Schwarzlicht beim Abwaschen benutzt um Reste zu sehen.

Einige junge Menschen erleben Gewaschen-Werden als sehr unangenehm bis schmerzhaft - für die wären die flüssigen Farben oder sogar die ganze Aktivitäten gebenenfalls nicht passend.

**für wasser-vermeidende junge Menschen hätte ich noch eine andere Idee, die Schwarzlicht involviert. Falls Euch das interessiert, schreibe ich ein anderes Mal davon.
Inhaltswarnung: stark kontrastierende Farben im Bild